Auch wenn
wir dieses Thema erst im letzten Newsletter besprochen haben, so
zeigen uns die anhaltende öffentliche Diskussion und die vielen
individuellen Reaktion aus dem Kreis unserer Leser, dass es lohnt,
noch ein wenig mehr in die Tiefe zu gehen, um die Diskussion zu
versachlichen. Dabei soll diesmal insbesondere der Frage
nachgegangen werden, ob verschärfte Regulierung wirklich dem Schutz
des Verbrauchers dienen kann oder ob es andere Interessengruppen
gibt, die einen besonderen Nutzen aus der Verschärfung der
Regulierung ziehen könnten.
Wer
Investmentfonds, Bausparverträge, Finanzierungen oder Versicherungen
vermitteln will, der benötigt eine Gewerbeerlaubnis. Das ist
grundsätzlich in Ordnung, vor allem auch unter dem Aspekt, dass ein
solches Gewerbe nicht ausgeführt werden sollte, wenn man strafbare
Handlungen begangen hat oder seine Steuern nicht bezahlen kann. Dass
nun zusätzlich auch - bei der Versicherungsvermittlung bereits
gesetzlich geregelt und bei der Fondsvermittlung in Kürze zu
erwarten - ein Sachkundenachweis sowie der Nachweis einer
Vermögenschadenhaftpflicht-Versicherung gefordert wird, können wir
nur begrüßen.
Ernsthafte
Zweifel haben wir jedoch bereits am Sinn der jährlichen
Prüfberichte. Sie nützen eigentlich nur der wirtschaftsprüfenden
Zunft, die häufig für das Unterschreiben eines Jahr für Jahr mit den
gleichen Antworten anzukreuzenden Multiple Choice-Formulars
fürstlich entlohnt wird. Ernsthafte Prüfung können wir in den
meisten Fällen nicht erkennen, zumindest nicht dann, wenn - was wohl
die Regel ist - keine Zahlungen von Kunden (seien es Prämien oder
Provisionen) entgegengenommen werden. Und selbst dann macht die
Arbeit der Auftraggeber, denn wie will der Wirtschaftsprüfer
überprüfen, ob eine diesbezügliche Aufstellung vollständig ist?
Die
zuständige Behörde legt in der Regel die Prüfberichte nur ab bzw.
mahnt sie unter Androhung eines Bußgeldes an, wenn diese nicht
fristgerecht vorgelegt werden. Natürlich gibt es Ausnahmen. So hat
ein gewissenhafter Beamter bei einem unserer Kooperationspartner
doch tatsächlich die Vorlage der Prospekte (und zwar bitte in
gedruckter Version, da man mit einer CD-Rom nicht arbeiten könnte)
aller im Berichtszeitraum vermittelten Fonds gefordert - wir haben
anhand einer Auswertung festgestellt, dass es sich lediglich um 107
verschiedene Prospekte handelte, die ihrerseits im Internet frei
zugänglich und zudem ja auch noch von einer anderen Aufsichtsbehörde
genehmigt werden. Uns würde nun doch mal interessieren, was der
Beamte des Ordnungsamtes mit diesen Prospekten angefangen hätte (zum
Glück hatte dieser Beamte noch einen Vorgesetzten und nach einem
Telefonat mit diesem wurde die Forderung fallen gelassen).
Falls
jemand einen konkreten Nutzen der jährlichen Prüfberichte sieht,
wären wir für einen Hinweis dankbar - vielleicht haben wir ja einen
Aspekt übersehen. Leider können wir auch keinen konkreten Nutzen aus
der Registrierung von Versicherungsvermittlern bei der zuständigen
IHK erkennen (außer des dadurch entstehenden zusätzlichen
Deckungsbeitrages für die IHK, bei der ohnehin Zwangsmitgliedschaft
auch ohne konkreten Nutzen für den Gewerbetreibenden besteht).
Trotzdem muss leider damit gerechnet werden, dass es in absehbarer
Zeit ein ähnliches Register auch für die Vermittler von
Investmentanlagen gibt. Die Mehrzahl der Investment-Vermittler
dürfte damit ein zweites Mal zur Kasse gebeten werden, weil die
Versicherungsvermittlung ebenfalls betrieben wird.
Im Zuge der
Regulierungsdiskussion wird - flankiert von entsprechenden
BGH-Urteilen - auch vehement die Offenlegung der Provisionen
diskutiert. Nun sind wir ganz bestimmt auf der Seite derer, die
kritisieren, wenn ein Produkt um der Provisionshöhe willen verkauft
wird. Doch kann wirklich über die Offenlegung der Provision
verhindert werden, dass dem zu schützenden Verbraucher keine
schlechten Produkte mehr angedient werden? Und sind höhere
Managementgebühren, aus denen sich dann häufig auch höhere
Bestandsprovisionen ergeben, etwa nicht gerechtfertigt, wenn dafür
Spitzenleistungen geliefert werden?
Ein anderer
Aspekt in diesem Zusammenhang: Fondsgesellschaften zahlen nicht an
alle Vertriebe, Banken, Plattformen oder Pools identische
Provisionen. Vertriebe, Banken, Plattformen oder Pools wiederum
arbeiten mit unterschiedlichen Margen und natürlich auch oft mit
Umsatz-/Bestandstaffeln. Wer als freier Finanzdienstleister hohe
Bestände hat, hat zwangsläufig auch einen hohen Anteil zufriedener
Kunden. Mit seinem hohen Bestand bekommt dieser Finanzdienstleister
im Zweifelsfall eine um ein Mehrfaches höhere Provision als der
Vermittler, der auf der untersten Stufe eines Strukturvertriebes
tätig ist. Soll nun der Verbraucher - angestachelt von unserer ihn
schützenden Ministerin - beim Strukturvertrieb kaufen, und zwar
möglichst auf der untersten Stufe, weil hier die im
Beratungsprotokoll ausgewiesene Provision am geringsten ist, obwohl
die Kostenstruktur des Fonds an sich in allen Fällen identisch ist?
Mit derartiger "Geiz-ist-geil-Mentalität" schießen sich Anleger wohl
eher ein Eigentor. Nichts dagegen hätten wir indes, die Kosten eines
Fonds in Relation zu seinem Erfolg für den Anleger zu setzen. Dazu
müsste aber erst einmal einheitlich geregelt werden, wie die Kosten
zu ermitteln sind. Außerdem müsste geregelt werden, was den Erfolg
ausmacht (die reine Performance, die Performance in Relation zum
Schwankungsrisiko o. a.). Soweit der kurze Exkurs zur Offenlegung
der Provision (es gäbe noch mehr dazu zu sagen).
Nun wird
aber vehement über weitere Regulierung diskutiert. Auslöser sind die
"Machenschaften" freier Vermittler, die Millionen von Deutschen mit
ihren Anlageempfehlungen geschädigt oder gar in den Ruin getrieben
haben - so etwa klingt es zumindest zwischen den Zeilen wenn nicht
gar unverblümt. Wenn wir uns allerdings anschauen, wie die Depots
von Anlegern aussehen, die von unseren Kooperationspartnern in die
Betreuung übernommen werden, dann kommen durchaus Zweifel auf, ob
diejenigen, die unsere Verbraucherschutzministerin eigentlich
strenger regulieren will, nicht mehrheitlich längst - fest
angestellt - unter der Haftung eines Finanzdienstleistungsinstitutes
der jeweiligen Bank) agieren.
Nehmen wir
mal an, die Ausnahmegenehmigung für die Vermittlung von
Investmentfonds fällt und alle bislang freien Vermittler müssen nun
unter ein Haftungsdach schlüpfen, dessen Administration übrigens im
Schnitt mit Pro-Kopf-Kosten von schätzungsweise 4.500 Euro pro Jahr
verbunden ist. Grob geschätzt stehen dann 350.000 Vermittler vor dem
Problem, welchem Haftungsdach sie sich , wenn sie es sich leisten
können, anvertrauen, wobei es ja bislang keine große Auswahl gibt.
Also würden in einem solchen Fall wohl blitzschnell hunderte von
Haftungsdächern aus dem Boden gestampft und niemand weiß dann
wirklich, wem oder was er sich dann anvertraut. Immerhin ist man
unter einem Haftungsdach gebundener Agent und damit auch
weisungsgebunden.
Die
Motivation, als Haftungsdach zur Verfügung zu stehen, ist aber ganz
sicher nicht, die oben erwähnten jährlichen Administrationskosten zu
decken. Es lohnt nur, wenn darüber hinaus eine ordentliche Marge
entsteht. Diese kann auf zweierlei Art entstehen: Entweder wird dem
gebundenen Agenten aufgrund pauschaler oder
bestands-/umsatzabhängiger Vereinbarungen deutlich mehr von seiner
Provision abgenommen oder aber die Bündelung der Vertriebskraft wird
genutzt, um bestimmte Finanzanlageprodukte zu promoten, an denen
eine ordentliche Zusatzmarge verdient werden kann.
Mit der
zuletzt skizzierten Version könnte sich sicherlich die Mehrheit der
qualifizierten Berater nicht wirklich anfreunden. Aber auch bei der
Variante des deutlich geminderten Einkommens wird kaum Freude
aufkommen. Da aber in einem solchen Fall die Vertriebsmacht bei den
Haftungsdächern noch viel konzentrierter ist als bisher, dürfte der
Kostendruck sicher schnell bei den Fondsgesellschaften ankommen, die
ihn ihrerseits über kurz oder lang dem Verbraucher aufbürden. Ist
das der von Frau Aigner gewünschte Verbraucherschutz?
Allerdings
muss man auch ins Kalkül ziehen, dass ein großer Teil der
Vermittlerschaft gar nicht in der Lage wäre, die zunächst
entstehenden Kosten eines Haftungsdaches zu tragen. Hier bleibt die
Alternative zwischen Geschäftsaufgabe oder dem Versuch, bei einem
Haftungsdach mit konkreter Steuerung der Angebotspalette anzudocken.
Ersteres steigert den Druck auf den Arbeitsmarkt und letzteres geht
wohl auch nicht auf Dauer gut, weil diejenigen, die sich die Kosten
des Haftungsdaches via Provisionsverzicht nicht leisten können, in
der Regel auch keine ausreichenden Deckungsbeiträge mit der vom
Haftungsdach eingeengten Produktpalette erwirtschaften werden.
Stellen wir
uns mal vor, die Hälfte der Finanzdienstleister, die heute Fonds
vermitteln, verabschiedet sich aus dem Geschäft. Diese Hälfte hat
bislang sicherlich deutlich mehr als die Hälfte aller nicht (mehr)
von Banken beratenen Investmentanleger betreut. Die andere Hälfte
kann sich die Kosten des Haftungsdaches leisten, weil sie
ausreichende Umsätze/Bestände hat. Dies hat sicherlich damit zu tun,
dass sich diese Finanzdienstleister intensiv um eine große Anzahl
von Kunden kümmert. Kapazitäten, um die Kundenzahl mehr als zu
verdoppeln, sind hier sicher vorhanden. Betriebswirtschaftlich ist
es nun sinnvoll, sich von "kleinen" Kunden zu trennen und sich auf
die Gewinnung der "großen" Kunden aus den Beständen aufgebender
Finanzdienstleister zu kümmern. Kunden mit geringeren Anlagevolumina
gehen dann bitte zurück zu ihrer Bank oder Sparkasse (der sie ja
zuvor meist aus gutem Grund fortgelaufen sind).
Fazit: Eine
Anpassung der Regelungen für Fondsvermittler (dies gilt für offene
wie für geschlossene Fonds) an die bereits vorhandenen gesetzlichen
Vorgaben für Versicherungsvermittler ist sinnvoll. Dies gilt
insbesondere für einen (an der Praxis und an Kundeninteressen
orientierten) Sachkundenachweis. Die Kosten für unsinnige
Prüfberichte und Registrierungen könnte man sparen oder - warum
eigentlich nicht - für ein alle zwei oder drei Jahre bei der IHK zu
absolvierendes Update des Sachkundenachweises verwenden. Mit dem für
den jeweiligen Zeitraum gültigen Dokument muss sich jeder Vermittler
bei der Beratung von Anlegern ausweisen, andernfalls erlischt die
Gewerbeerlaubnis. Es bliebe dann aber die Frage zu stellen, ob es
nicht sinnvoll wäre, dass auch zum Beispiel Rechtsanwälte,
Steuerberater oder Ärzte regelmäßig ihre Fähigkeiten nachweisen, um
Verbraucher in allen Bereichen, in denen nachhaltiger Schaden durch
Dienstleistung gestiftet werden kann, zu schützen. Denn es wäre wohl
schwer hinnehmbar, dass der Anleger, der seine Bank oder seinen
freien Vermittler wegen Falschberatung verklagt, den Prozess nun
auch noch aufgrund mangelhafter Fähigkeiten seines Anwaltes verliert
oder gar in der Folge am falsch behandelten Herzinfarkt stirbt.
Wem also
nützt die verschärfte Regulierung vor allem? Natürlich in erster
Linie denen, für die sich nichts ändert. Viele kleine Anleger
hingegen stehen vor der Alternative, ihre Anlagegeschäfte künftig
ohne Beratung online abzuwickeln, da sie sich darüber im Klaren sein
müssen, dass für ihre Beratung in der Bank die Zeitvorgaben extrem
knapp sind.
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